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Transformation

12. Juli  —  31. August 2024

Zyklus «Wandel II» 2023 — 2025

Zwischen Himmel und erde

Ein Konzert kann uns in eine andere Welt versetzen, wenn die Musik es fertig bringt, mit ihren Assoziationen und emotionalen Botschaften unsere Seele zu berühren und uns aus dem Alltag in die Welt der Fantasien zu versetzen. Die Musik kann uns in einen schwebenden Zustand versetzen, gewissermassen zwischen «Himmel und Erde» und uns anregen, über unsere Endlichkeit nachzudenken. Glauben an die Ewigkeit und irdische Lebensfreude, erdige Bodenhaftung und metaphysische Ungewissheit bewegen Komponisten seit vielen Jahrhunderten.  
Der Komponist des Mittelalters war fest eingebunden in die Liturgie der Kirche, Gesänge für Messe standen im Mittelpunkt seines Schaffens, es sei denn er hätte sich entschieden, als Dichter-Musiker sein Schaffen dem Minnesang zu widmen. Doch sucht der Messekomponist oft sein Publikum mit sehr weltlichen Tönen zu fesseln und dem Minnesänger liegt oft mehr an religiöser Erbauung als an der Eroberung seiner Angebeteten. Beide sind recht eigentlich zwischen Himmel und Erde. Noch Claudio Monteverdi um 1600 und Bach zweihundert Jahre später kennen diesen Zwiespalt. Zu Monteverdis Zeit sprach man von «prima prattica», wenn man traditionell kontrapunktisch komponierte, ganz diesseitige Musik meinte und von «seconda prattica», wenn der Komponist sich über alle Komponierregeln hinwegsetzte und Musik für Himmel und Ewigkeit schrieb. Johann Sebastian Bach hingegen unterlegte seiner Musik ohne Bedenken einmal geistliche Verse und einmal weltliche Texte, verwendete Teile aus Kirchenkantaten in Solokonzerten und arbeitete umgekehrt Instrumentalkompositionen in seine Kirchenmusik ein. Seit Beethovens Zeit ist die Unterscheidung zwischen himmlischer Musik für die Kirche und diesseitiger Musik für den Konzertsaal sowohl bei Komponisten als auch beim Publikum nicht mehr so bedeutungsvoll, doch der schaffende Künstler ist stets mit einem Bein im Himmel und mit dem anderen auf fester Erde. Und wenn er dieses Gefühl auf sein Publikum übertragen kann, dann hat seine Musik etwas bewirkt – bis heute. 

András Schiffs Kammermusik-Residenz beleuchtet das Geburtstagskind Robert Schumann (dessen 200stem Geburtstag wir 2010 gedenken) mit drei aussergewöhnlichen Konzertprogrammen, wie sie selten in dieser Konstellation zu erleben sind. Schumann, welcher sich mit zunehmenden Alter in eine eigene, selbst engsten Mitmenschen verschlossene Gedankenwelt zurückzog, wird mit rar gespielten Werken wie der «Rose Pilgerfahrt» oder dem «spanischen Liederbuch» von einer überraschenden Seite zu erleben sein.  
Die musikalische Schönheit und Faszination von Brahms’ «Deutschem Requiem» wird am Eröffnungswochenende mit herausragenden Solisten und Interpreten einen ersten Glanzpunkt setzen.  Werke wie Richard Strauss' «Metamorphosen», Haydns «Sieben Letzte Worte», Schumanns drei Streichquartett, Mahlers 5. Sinfonie (mit dem berühmten Adagietto, das für die Verfilmung von «Tod in Venedig» die Vorlage bildete), das Programm des Blockflötisten Maurice Stegers rund um die «Englische Nachtigall» oder Daniel Hopes «Air» befassen sich in jeweils unterschiedlichen Herangehensweisen mit dem spannenden Festivalthema. Auch die humoristischen und unterhaltenden Programmpunkte wie Blechschadens «Moonlight Serenade» schweben irgendwo zwischen Himmel und Erde in ihrer Kunst.  
Ein gewichtiges neues Element werden wir am 13. August 2010 erleben mit der Première des «Gstaad Festival Orchestra». Für das Début dieses eigenen Sinfonieorchesters und den Auftakt der ersten Europatournee mit Konzerten an 5 weiteren europäischen Festivals hat der Schweizer Komponist Daniel Schnyder eine sinfonische Meditation geschrieben, welche sich in Rimsky-Korsakovs Osterouverture und den berühmten «Bilder einer Ausstellung» von Mussorgsky einbettet.  
Die dritte «Tout le monde du violon»-Ausgabe (nach 2006 und 2008) gipfelt zum Ausklang und zum grossen Finale des Festivals 2010 in einem Zeltkonzert, zu welchem sich die führenden und besten Zigeuner-Geiger, u.a. Roby Lakatos & Band, sowie Tänzer und Sänger aus traditionellen Zigeuner-Familien Osteuropas zu einem Musikfest vereinigen. Yehudi Menuhin, welcher die Zigeuner mit deren Musik und Kultur über alles liebte, hätte sich im Trubel des Schlusskonzertes 2010 am wohlsten gefühlt, und so widmen wir auch kommendes Jahr das ganze «Tout le monde du violon»-Fest seiner Experimentierfreude und seiner Neugierde und Liebe für Neues und Unerhörtes.  
Unsere «Gstaad Academy» wird zum 2. Mal durch die Präsenz von Prof. Silvana Bazzoni-Bartoli und Cecilia Bartoli beehrt. Ich freue mich sehr, dass der Pianist Andras Schiff einen 5-tägigen Meisterkurs geben wird, welcher ebenso der Öffentlichkeit zugänglich sein wird. Somit wird die «Gstaad Vocal Academy» bereits im Jahr 2010 durch eine «Gstaad Piano Academy» ergänzt.  Für Amateurmusiker und Jugendliche werden unsere Angebote im Bereich der «Play-Along»-Orchester nach dem überwältigenden Erfolg der beiden Play-Along-Orchester 2009 weitergeführt, neu unter dem Namen Play @ Menuhin Festival Gstaad. Interessierte erwachsene und jugendliche Laienmusiker und Musikfreunde erhalten beim Festivalbüro oder auf unserer Homepage die gewünschten Auskünfte.  Neben den in Gstaad bereits bekannten und beliebten Künstlern wie Cecilia Bartoli, Valery Gergiev, Bobby McFerrin (mit einem Solo-Abend!), András Schiff, Daniel Hope, Arcadi Volodos und vielen anderen begrüssen wir auch neue, faszinierende Künstler, welche in der grossen weiten Musikwelt bereits gefeierte Stars sind und zum ersten Mal in Gstaad auftreten.  
Die Jeune-Etoile-Konzerte schliesslich liessen 2009 besonders aufhorchen und begeisterten das Publikum. Der junge Amerikaner und Menuhin-Wettbewerb-Preisträger Chad Hoopes zum Beispiel sorgte für Verzückung und wird 2010 in einem Abendkonzert zu erleben sein.  In der Kommunikation unserer Konzerte werden wir 2010 einige neue Wege gehen. So werden wir auf unserer Webseite jedem unserer Künstler eines Konzertes im Konzertzelt und in der Kirche Saanen ein «Artist Window» öffnen, in welchem mehr über unsere Stars zu erfahren ist. Uns allen stehen spannende und herausfordernde Monate bevor, aber vor allem sind wir motiviert durch die Vorfreude auf über 40 wunderschöne Konzertabende im kommenden Sommer, wie sie nirgends anders in dem bezaubernden Gemisch von Natur, Musik und Lebensgenüssen zu erfahren sind. 

Mit herzlichem Gruss 
Ihr Christoph Müller, Intendant