Geschichte des Gstaad Menuhin Festival & Academy
Yehudi Menuhins Liebe zu Gstaad
Mitte der 1950er Jahre entdecken Yehudi Menuhin und seine Familie das Saanenland und Gstaad. Die Urkraft der Natur und der Berge faszinieren und inspirieren ihn. Nicht nur die sanfte Alpenlandschaft des Saanenlandes beeindruckten ihn, sondern auch das Zusammentreffen von Westschweiz, deutschsprachiger Kultur sowie der nahe gelegene Süden mit der Italianità. Weil Gstaad und Umgebung zugleich ein ideales Umfeld für die internationale Erziehung seiner Kinder bietet (unter anderem durch die hier ansässigen Institute «Le Rosey» und «John F. Kennedy International School»), lässt sich Menuhin mit seiner Familie im Saanenland nieder. Auf den Spaziergängen in den Bergen mit seinen Kindern entdeckt der Städter den naturverbundenen Alltag der einheimischen Bevölkerung, welche mit ihrer Folklore und Musik ebenfalls die musikalische Entwicklung Menuhins beeinflusst.
Tradition & Innovation
Das Festival von der Entstehung bis heute.
Im Geiste des Gründervaters Yehudi Menuhin positioniert Christoph Müller das Gstaad Menuhin Festival & Academy bei seinem Amtsantritt im 2002 neu und entwickelt es in der Folge erfolgreich weiter, indem eine offene und kreative Programmpolitik nun zukunftsweisende Projekte und den Aufbau nachhaltiger künstlerischer Gefässe ermöglicht.
Das Kammermusikfest Gstaad konzentriert sich auf hochkarätige Persönlichkeiten (Joshua Bell, Sabine Meyer, Alfred Brendel, Andras Schiff, Hélène Grimaud), die ihre musikalischen Freund*innen und Partner*innen nach Gstaad einladen und «gemeinsam in entspannter Atmosphäre musizieren» (Zitat Yehudi Menuhin).
Die Sinfonieorchester-Konzerte im Festival-Zelt Gstaad bringen sinfonische Glanzlichter zurück nach Gstaad, unter anderem durch enge Partnerschaften zu Orchestern wie dem London Symphony Orchestra. Die Reihe «Today’s Music» ermöglicht Begegnungen verschiedenster Stile und Kulturen, welche nach Vorbild von Yehudi Menuhins überraschende und unvorhergesehene Musikerlebnisse ergeben. Mit Künstlern wie Bobby McFerrin, Nigel Kennedy oder der Schweizer Jazz-Legende George Gruntz konnte sich dieser Zyklus seit der Edition 2002 profilieren. Darüber hinaus wurde die Tradition eines Kinderprojektes etabliert, welches jährlich die Aufführung eines in den Schulen des Saanenlandes pädagogisch erarbeiteten Werkes unter Mitwirkung von 30 bis 50 Kindern aus der Region vorsieht. Werke wie «Pollicino» von Hans-Werner Henze, «Brundibar» von Hans Krasa oder «Carnaval des Animaux» von Camille Saint-Saëns bleiben unvergessen.
Auch für musikalischen Laien wurde eine Plattform geschaffen, die sich als «Gstaad Festival Amateur Orchestra»-Reihe etabliert hat: Die Festival-Ausgabe 2008 präsentierte erstmals eine Orchesterwoche für Amateur-Musiker*innen, welche während 7 Tagen gemeinsam mit Stimmführer*innen etablierter Sinfonieorchester ein Orchesterprogramm einstudierten und in einem Konzert präsentierten. Seit 2009 wird dieses Amateurorchester durch ein entsprechende Jugendorchester-Woche mit 60-70 Mitwirkenden ergänzt. Die insgesamt jährlich ca. 130 Jugendlichen und Laienmusiker*innen profitieren in diesem Projekt von der Kombination von aktivem Musizieren, Konzertbesuchen und kurz: Sie nehmen am Festivalleben teil.
Eine spontane Idee wird zur Tradition
Seinen Anfang nimmt das Gstaad Menuhin Festival im Jahr 1956, als der damalige Kurdirektor Paul Valentin Yehudi Menuhin anfragt, ob er bereit wäre, die Sommersaison mit Konzerten zu bereichern. Spontan nimmt Menuhin die Idee auf, und bereits ein Jahr später schlägt die Geburtsstunde des Menuhin Festivals in der Mauritius-Kirche Saanen. Am 4. und 6. August 1957 treffen unter dem Titel «deux concerts exclusifs» vier Musiker aufeinander, welche bis heute als legendäre Musiker und Persönlichkeiten gelten: Maurice Gendron, Cello, Benjamin Britten, Klavier und Cembalo, Peter Pears, Tenor, und natürlich Yehudi Menuhin. Fortan tragen die Sommerkonzerte im Saanenland den Titel «Yehudi-Menuhin-Musiksommer». Aus zwei werden neun Veranstaltungen, vorwiegend Kammermusikkonzerte und Konzerte mit Kammerorchestern (ab 1958 nimmt das bekannte Zürcher Kammerorchester unter Edmond de Stoutz teil). Das Festival ist von Beginn weg stark von Menuhins intensiver Beziehung und Interaktion mit der ländlichen Idylle im Berner Oberland inspiriert. Familie (z.B. Yehudis Schwestern Hephzibah und Yaltah oder sein Sohn Jeremy) und Freunde (darunter Ernst und Lory Wallfisch, Louis Kentner und Peter Lukas Graf) von Yehudi Menuhin sorgen für unvergessliche Kammermusikabende in der stimmungsvollen Kirche von Saanen: Das Musizieren im Freundeskreis wird zum Leitmotiv des Festivals.
Das Festival wächst
Die Struktur des grösser werdenden Festivals wird zunehmend komplexer. 1976 wird insbesondere auch für die Bewältigung administrativer Aufgaben ein neues Organisations-Komitee eingesetzt. 1977 setzt Menuhin mit der Gründung der Internationalen Menuhin-Musik-Akademie (IMMA) und «The Yehudi Menuhin School» bei London, einen Markstein in der Förderung von jungen Elite-Musikern. Der erste Direktor der IMMA ist Alberto Lysy (Ende 2007 übergibt er die musikalische Direktion an Jeremy Menuhin). Das Orchester der Akademie, die Camerata Lysy Gstaad (ab 2009: Camerata Menuhin), wird zu einer tragenden Säule des Festivals. Mittlerweile umfasst der Anlass 18 Konzerte.
Menuhin betont in seiner künstlerischen Arbeit noch intensiver die Symbiose von Kunst und Landschaft. Musikalische Höhepunkte sind beispielsweise ein Konzert zum 100. Geburtstag von Ernest Bloch, eine Hommage an Benjamin Britten (zur Aufführung kommt dessen Drittes Streichquartett) oder ein Gedenkkonzert zur vierzigsten Wiederkehr von Bela Bartók nach Gstaad.
Ab 1989 auch Sinfoniekonzerte
Mit der Übernahme der Alpengala AG und vor allem durch deren Festivalzelt durch das Menuhin Festival wird es Ende der achtziger erstmals möglich, grosse Sinfonieorchester ins Saanenland zu holen; das Menuhin Festival wird von einem Kammermusikfest zu einem der grössten Festivals der Schweiz. Yehudi Menuhin erhält damit die Gelegenheit, seine stets zunehmende Dirigententätigkeit auch in seiner Wahlheimat auszuüben. Das erste Festivalzelt wird 1999 durch ein neues, speziell für das Festival nach neusten technischen und akustischen Erkenntnissen konzipiertes, Konzertzelt ersetzt.
1996: Jubiläum und Umbruch
Mit 80 Jahren und nach 40 Jahren der künstlerischen Tätigkeit in Gstaad entschliesst sich Yehudi Menuhin 1996, die Leitung seines Festivals in jüngere Hände zu übergeben. Der für seine tiefgründige Auseinandersetzung mit klassischer und zeitgenössischer Musik bekannte lettische Violinist Gidon Kremer soll dem Alpen-Festival neue künstlerische Impulse geben und es ins einundzwanzigste Jahrhundert führen. Bald zeigt sich, dass Publikum und Partner des Festivals die personelle und künstlerische Neuausrichtung nicht in gewünschtem Masse mittragen – die vier Jahrzehnte der Prägung durch Yehudi Menuhin lassen sich nicht mit den künstlerischen Zielen von Gidon Kremer vereinen.
Bewegte Ära nach Menuhin
Nach dem Rücktritt von Gidon Kremer im Jahr 1998 übernehmen zunächst Peter Keller und anschliessend die ehemalige Mitarbeiterin von Yehudi Menuhin, die Musikwissenschaftlerin Eleanor Hope, die künstlerische Leitung des Festivals. Sie führt Menuhins Erbe, der 1999 verstirbt, in einem vielseitigen Programm fort, das in enger Wechselwirkung zur alpinen Umgebung des Saanenlands steht. Der Schwerpunkt der Konzerte in Gstaad und Umgebung liegt – wie zu Menuhins Zeiten – auf klassischer Kammermusik und sinfonischen Werken, ergänzt durch zeitgenössische Kompositionen. Eleanor Hope gelingt es, die „Festivalfamilie“ von Yehudi Menuhin – Stammpublikum, Solist:innen, Ensembles, Dirigent:innen und Orchester – wieder nach Gstaad zu bringen und damit das Festival zu stabilisieren.
Im Jahr 2002 entscheidet der Verwaltungsrat des Festivals, die künstlerische Leitung neu auszurichten. Künftig soll nicht ein international tätiger Solist, sondern eine Persönlichkeit mit Erfahrung im Kulturmanagement und Verständnis für die regionalen Gegebenheiten die Verantwortung übernehmen. Mit dem Cellisten und Manager des Kammerorchesters Basel, Christoph N. F. Müller, wird diese Position neu besetzt. Unter seiner Leitung festigt und erweitert das Gstaad Menuhin Festival & Academy seine künstlerische und organisatorische Basis und entwickelt sich zu einer international anerkannten Plattform für Kammermusik, Orchesterprojekte und Nachwuchsförderung.
Ab November 2025 übernimmt der britische Geiger und Dirigent Daniel Hope die Intendanz des Festivals. Als ehemaliger Schüler und musikalischer Weggefährte von Yehudi Menuhin steht er in direkter künstlerischer Verbindung zum Gründer des Festivals und führt dessen Erbe in die Gegenwart. Hope blickt auf eine mehr als 35-jährige internationale Karriere als Solist, Kammermusiker und Ensembleleiter zurück. Er ist Musikdirektor des Zürcher Kammerorchesters sowie des New Century Chamber Orchestra in San Francisco und wirkt in leitender Funktion unter anderem an der Dresdner Frauenkirche und am Beethoven-Haus Bonn.
Programm-Säulen
Kammermusikfest: Das Herz des Gstaad Menuhin Festival: Hochkarätige Kammermusikkonzerte in den beeindruckend schönen und akustisch hervorragenden Kirchen des Saanenlandes.
Orchester / Oper / Chor: Orchester von Weltrang in grossen sinfonischen Besetzungen spielen in der festlichen Atmosphäre des Festival-Zelt Gstaad.
Today's Music: Konzerte mit unkonventionellem Charakter. Andere Musikstile oder Aufführungsformen mischen die Konzert- und Hörgewohnheiten auf. Keine Grenzen.
Musikextra: Konzerte an ungewöhnlichen Orten: Open-Air, Auf Alpen, Berghäusern usw.
L'Heure Bleue- Concert for all: Die Studenten der Academies präsentieren sich dem Publikum. Immer 17.30 Uhr, 1 Stunde ohne Pause. Die Stunde der Begegnungen und Entdeckungen. Der Zusatz «Concert for All» impliziert bereits, dass die Konzerte dieser Reihe für Zuhörer aller Art gedacht ist - ob erfahrene Konzertbesucher, Neulinge im Bereich der Klassik, jung oder alt. Und auch für Familien ist das Format bestens geeignet, denn hier darf auch währen des Konzertes ein- und ausgegangen werden. Für alle Konzerte in der Reihe «L'Heure Bleue - Concert for All» gilt: Eintritt mit Kollekte.
Menuhin's Heritage Artists: Das Festival verleiht erprobten Nachwuchskünstler*innen den Titel «Menuhin's Heritage Artist». Als solche werden sie während eines Zeitraumes von 5 Jahren jährlich zum Festival eingeladen und erhalten die Gelegenheit, sich in verschiedene Formen dem Publikum zu präsentieren.
Matinée des Jeunes Étoiles: Die Stunde der Entdeckungen: Immer samstags in der Kapelle Gstaad, 1 Stunde ohne Pause. Junge Preisträger*innen internationaler Wettbewerbe präsentieren sich zum ersten Mal dem Festivalpublikum.
Discovery: Abwechslungsreiche Angebote für Kinder und Jugendliche.
Gstaad Academy - Meisterkurse: Täglich öffentliche Meisterkurse. Grosse Musikpersönlichkeiten unterrichten junge, vielversprechende Talente. Für neugierige und wissbegierige Zuhörer*innen.
Gstaad Conducting Academy: öffentlicher Meisterkurs und Talentschmiede für junge und vielversprechende Dirigentinnen und Dirigenten.
Gstaad String Academy: öffentlicher Meisterkurs für Streichinstrumente (Violine, Viola und Violoncello) und Kammermusik.
Gstaad Piano Academy: öffentlicher Meisterkurs für angehende Klaviersolist*innen mit ausgewiesenen Meistern als Professoren.
Gstaad Vocal Academy: öffentlicher Meisterkurs für junge Sängerinnen und Sänger - die Opernstars von morgen!
Gstaad Festival Youth Orchestra: Orchesterwoche für Jugendliche.
Gstaad Festival Amateur Orchestra: Orchesterwoche für Amateurmusiker*innen.
Gstaad Festival Orchestra: Vom Gstaad Menuhin Festival & Academy initiiertes Symphonieorchester mit dem Ziel, innovative und qualitativ hochstehende Projekte zu entwickeln und zu realisieren. Nach der Premiere in Gstaad präsentiert das Orchester die Projekte mit internationalen Gastspielen und wird so zum Botschafter des Festivals und der Region Gstaad. Dirigent: Jaap van Zweden (principal conductor).














